Stuttgart ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort - aber Wolfgang Schuster
macht zu wenig daraus
Die Region Stuttgart ist eines der führenden Wirtschaftszentren in Europa. In
der Stadt haben Weltkonzerne wie DaimlerChrysler, Bosch, Porsche,
Hewlett-Packard, IBM ihren Sitz. Bedeutende mittelständische Unternehmen wie
Behr, Celesio AG, Dürr, Mahle, Stihl oder Trumpf stärken diese hervorragende
Ausgangsposition. Die Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmer sowie
Unternehmensgründungen komplettieren die Stärke der Region.
Diese Stärken Stuttgarts müssen weiterentwickelt werden. Wolfgang Schuster hat
das bislang nicht vermocht. Günstige Hebesteuersätze sind gut, aber nicht gut
genug. In seiner Amtszeit sind große Chancen vergeben worden. Auf die
Herausforderungen der Zukunft findet Schuster keine Antworten:
- Wolfgang Schuster denkt in zu kleinem Karo. Bis heute konnte er sich nicht
dazu durchringen, sich an die Spitze der Regionsbewegung zu stellen. Notwendig
wäre ein Oberbürgermeister, der bei jeder Gelegenheit eine Ausweitung der
Kompetenzen der Region fordert und auf die Landesregierung entsprechend Druck
ausübt. Wolfgang Schuster sitzt stattdessen im Bremserhäuschen und schadet damit
der wirtschaftlichen Entwicklung.
- Das World Mobility Forum ist ein typischer Schuster-Fehlgriff: Viel Geld für
Glamour und wenig Nutzen. Statt einen Kongress zu organisieren, der die
Entwicklung modernster Mobilitätstechnik durch Informationsaustausch voranbringt
und damit den Standort sichert, versucht man die Stadt mit großen Namen zu
schmücken und kommt dabei nicht über allgemeinverbindliches Palaver hinaus. Der
Anspruch einer Weltveranstaltung und die regionsbezogene Realität klaffen bis
zur Lächerlichkeit auseinander.
- Bei der Fusion des SDR und SWR hat Stuttgart ein Waterloo erlebt. In
Stuttgart fallen nicht einmal ausreichend Aufträge für Filmschaffende ab. Teure
städtische Strukturen verschlingen viel Geld, bringen aber wenig. Das Film- und
Medienfestival hat mit den europäischen Filmtagen einen dramatischen Einbruch
erlebt, das Medienteam konkurriert vor allem mit der Region. Wichtige Akteure
der Film- und Kunstszene sind aus Stuttgart abgewandert, weil Wolfgang Schuster
kein Klima für einen modernen Medienstandort schaffen kann.
- Die Zeit der großen Ansiedlungen ist vorbei, aber die Zusammenlegung und
Verlegung von Produktions- und Verwaltungsstandorten hat Konjunktur. Stuttgart
ist hier schlecht aufgestellt. Rund um Stuttgart werden fast 1000 ha
Gewerbeflächen erschlossen und oft zu Dumpingpreisen angeboten. Wolfgang
Schuster hat gegen dieses aggressive Verhalten von Nachbarkommunen noch kein
kritisches Wort gefunden und schon gar keine Gegenstrategie entwickelt.
- Die Stadtverwaltung hat den Service-Gedanken gegenüber der Wirtschaft noch
längst nicht verinnerlicht. Noch immer erleben Gewerbetreibende den Gang von
Pontius zu Pilatus. Das Desaster um die Schulbuchbestellungen zeugt von wenig
Rücksichtnahme auf den lokalen Buchhandel und von mangelnder Kenntnis der
Vergaberechts und der Spielräume der öffentlichen Hand als Auftraggeber bei der
Qualitäts- und Leistungsgestaltung.
Die Herausforderungen annehmen -
Mein Sieben-Punkte-Programm für zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg
Stuttgart darf sich nicht auf dem Glanz seiner Traditionsunternehmen ausruhen.
Stuttgart braucht neuen Schwung, neue Ideen und neue Ansätze in der
Wirtschaftsförderung mit einem neuen OB. Denn Stuttgart steht vor ganz neuen
Herausforderungen, die mit den Stichworten demografischer Wandel,
Strukturwandel, umweltgerechtes Wirtschaften und Eu-EU-Erweiterung benannt sind.
Ich werde als OB durch ein Sieben-Punkte-Programm dazu beitragen, die Grundlagen
für den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg der Region Stuttgart zu legen:
1. Eine service-orientierte Stadtverwaltung als Markenzeichen
Damit die Stuttgarter Unternehmen in Stuttgart und in der Region ihre Zukunft
sehen, will ich die Verwaltung auf Service trimmen und Dienstleistungen bündeln.
Kurze Wege, schnelle Entscheidungen, kooperativer Umgang sollen die Beziehungen
zwischen Wirtschaft und Verwaltung prägen.
Stuttgart bietet in Zukunft für alle Unternehmen, ob groß oder klein, ob neues
oder heimisches Unternehmen hochwertige und umfassende Dienstleistungen an:
Immobiliensuche, Zuschuss- und Finanzierungsfragen, Informationen über kommunale
Steuern und Abgaben, Netzwerkinformationen und Behördenkontakte. Es gilt das
Prinzip: One face to the customer - alles aus einer Hand.
Aus der Stabsstelle für Wirtschafts- und Arbeitsförderung werde ich eine
Wirtschaftsagentur nach dem One-Stop-Prinzip machen: Die Wirtschaftsagentur wird
zur zentralen Kontaktstelle der Unternehmen und Schnittstelle zu den zuständigen
Fachämtern. Sie wickelt sämtliche behördliche Genehmigungen der Stadt Stuttgart
ab, die für die Neugründung oder die Weiterentwicklung eines Unternehmens
notwendig sind. Darüber hinaus dient die Agentur den Firmen auch als Leitstelle
zu nicht-städtischen Behörden und leitet Anträge an diese weiter.
Dadurch legt die Stadt die bürokratischen Hürden so tief wie möglich. Junge und
kleine Unternehmen profitieren besonders, denn sie haben weniger Erfahrung mit
Behörden und rechtlichen Vorgaben. Was für Unternehmensgründungen richtig ist,
sollte aber generell allen Unternehmen zu gute kommen. Die Wirtschaftsagentur
leitet sie sicher durch den Behördendschungel! Im Wettbewerb der Standorte hat
Stuttgart für mögliche Ansiedlungsunternehmen einen Pluspunkt - jenseits des
Gewerbesteuersatzes.
Beispiele für solche Behördengänge sind:
- die Gewerbeanmeldung, -ummeldung, -abmeldung, Amt für öffentliche Ordnung
- Emissionsschutzrechtliche Genehmigungen beim Amt für Umwelt
- Gaststättenrechtliche Genehmigungen wie eine Sperrzeitverkürzung beim Amt
für öffentliche Ordnung
- Baurechtliche Genehmigungen beim Baurechtsamt
Die Teufelsche Verwaltungsreform bietet für dieses Konzept in einer
kreisfreien Stadt tatsächlich große Chancen, die genutzt werden müssen. Durch
die Integration der bislang eigenständigen Sonderbehörden in die Stadtverwaltung
kann das Serviceangebot der Wirtschaftsagentur erheblich vergrößert werden. Das
betrifft zum Beispiel Funktionen der Gewerbeaufsichtsämter, der Vermessungsämter
oder der Landwirtschaftsämter.
2. Mehr Region wagen - Kooperation als Standortvorteil im internationalen
Wettbewerb der Regionen
Wenn Stuttgart als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb erfolgreich
sein will, braucht es eine starke Region, die die Kräfte bündeln kann, denn
wahrgenommen wird der Ballungsraum als Ganzes mit seiner Attraktivität als Wohn-
und Arbeitsort.
Stuttgarts Grenzen sind zu eng: Während in Berlin, Hamburg, München oder Dresden
innerhalb der Stadtgrenzen mehr als 70% der Einwohner des jeweiligen
Ballungsraumes zu Hause sind, hat Stuttgart nur einen 25%-Anteil an der
Einwohnerschaft seiner Region. Schon aus diesem Grund kann Stuttgart gar nicht
anders erfolgreich sein als mit einer starken politischen Region.
Wolfgang Schuster verkennt das bis heute. In der Regionalversammlung benimmt er
sich wie ein sechster Landrat, der eifersüchtig darüber wacht, dass ihm die
Region nicht in die Suppe spuckt oder zuviel Kompetenzen erhält. Das schadet
auch der Wirtschaft, weil der notwendige Ausbau der Infrastruktur nicht schnell
genug vorankommt, weil die Möglichkeiten einer integrierten Siedlungsplanung und
Wirtschaftsförderung nicht genutzt werden, weil Synergie- und Imageeffekte nicht
erzielt werden.
Ich will an Manfred Rommel anschließen, der im Unterschied zu Wolfgang Schuster
über den Kesselrand blicken konnte und mit dem Regionalkreis eine Lösung für das
Untergewichtigkeitsproblem der Stadt in ihrer Region gefunden hatte. Ich werde
mich an die Spitze der Regionsbewegung stellen und zum Wohl der wirtschaftlichen
Entwicklung für die Stärkung der Kompetenzen der Region eintreten. Ich will
Schritt um Schritt den Gedanken des Regionalkreises verwirklichen.
Dazu gehört insbesondere die Übertragung der Zuständigkeit für den öffentlichen
Nahverkehr an die Region, denn nur dann entsteht ein Angebot aus einem Guss. Die
Region soll auch die Einhaltung des Regionalplans überwachen können und nicht
ohnmächtig zusehen müssen, wie das Regierungspräsidium sich über ihre Einwände
hinwegsetzt, was besonders bei Handelsflächen ein Problem ist. Im Rahmen der
Teufelschen Verwaltungsreform wird es zu Kooperationslösungen in diversen
Fachverwaltungen zwischen den Kreisen kommen. Hier strebe ich an, eine regionale
Verbundverwaltung zu schaffen, die durch Übertragung der Aufgaben von den dafür
offensichtlich zu kleinen Kreisen entsteht. Prädestiniert wären hierfür die
Gewerbeaufsicht und die Straßenbauverwaltung.
3. Flächenmanagement - Potenziale im Bestand und durch regionale
Gemeinschaftsvorhaben erschließen
Stuttgart ist bereits hoch verdichtet und kann nur noch begrenzt von Gewerbe-
und Industrieflächen neu ausweisen. Zugleich gibt es aggressive Konkurrenz aus
dem Umland. Das Beispiel der Abwanderung von Bosch nach Abstatt darf nicht
Schule machen. Genau das lassen aber die derzeit beabsichtigten Ausweisungen von
Großgewerbestandorten um Stuttgart befürchten, zum Beispiel je 50ha in
Rottenburg, in Geislingen/Steige oder Backnang und je 100ha in Nagold oder
Vaihingen/Enz.
Stuttgart muss dieser Gefahr mit einer umfassenden Strategie begegnen. Die Stadt
muss die Kompetenzen der Region stärken, die als einzige Instanz das Interesse
des gesamten Ballungsraumes effektiv vertreten und Einsprüche gegen überzogene
Gewerbegebietsausweisungen in der Peripherie geltend machen kann.
Denn was Bundespräsident Köhler über Deutschland gesagt hat, muss auch für
Baden-Württemberg gelten: Es muss Unterschiede zwischen den Regionen geben dü
rfen. Ziel darf nicht sein, Stuttgarts Wirtschaftskraft gleichmäßig über die
Fläche zu verteilen, denn von der Stärke der Region profitiert das ganze Land.
Die Stadt muss selbst attraktive Angebote an die Wirtschaft machen und dafür in
der Region kooperieren. Hierfür bietet sich auch das Flugfeld
Böblingen/Sindelfingen an. Ich will, dass sich Stuttgart an der Entwicklung und
Vermarktung dieses in der Entwicklung befindlichen Gewerbegebietes beteiligt.
Ein weiterer leistungsstarker Partner in dem neu gegründeten Zweckverband
Flugfeld, dem bislang die Städte Böblingen und Sindelfingen sowie als
Fördermittelgeber der Verband Region Stuttgart angehören, nützt allen. Stuttgart
beteiligt sich an den Kosten der Erschließung und Vermarktung und enthält im
Gegenzug Anteile an den Gewerbesteuereinnahmen und Einfluss auf die
Ausgestaltung. Ich halte es für absurd, eine derart verkehrsgünstig gelegene und
hochwertig nutzbare Fläche mit einem weiteren Möbelhaus zu verschwenden.
Großflächiger Handel darf vor den Toren Stuttgarts nicht mehr angesiedelt
werden, schwächt die Zentren und darf keine Ausweichstrategie für fehlende
städtische Einzelhandelskonzepte sein. Der Schwerpunkt muss vielmehr auf
Betrieben liegen, die Erweiterungsmöglichkeiten suchen und weiter in die
Peripherie abwandern würden, wenn im Zentrum des Ballungsraumes keine geeigneten
Flächen zur Verfügung stehen.
Die Stadt muss ein professionelles Flächenmanagement entwickeln, das dafür
sorgt, dass ansiedlungswillige und expandierende vorhandene Unternehmen mit den
notwendigen Gewerbeflächen versorgt werden können, ohne dass der
Flächenverbrauch mehr als unbedingt erforderlich zunimmt. Hier ist eine enge
Kooperation mit der Wirtschaftsförderung der Region erforderlich.
Die Stadt muss ihren Standortvorteil gegenüber den Randlagen ausspielen. Gerade
für Existenzgründer und kleine Selbstständige ist das Leben in der Stadt
interessanter als im Gewerbepark weit draußen im Nirgendwo. Deshalb müssen
vorhandene Brachflächen zu modernen Stadtquartieren entwickelt werden, die nach
dem Prinzip der Stadt der kurzen Wege preiswerte Gewerbeflächen im Erdgeschoss
mit Wohnraum in den oberen Etagen sowie Kultur- und Versorgungseinrichtungen in
fußläufiger Entfernung kombiniert.
4. Neuer Antrieb für neue Mobilität -Stuttgart mit dem Auto versöhnen und den
Exporterfolg der Zukunft sichern
Die Fahrzeugindustrie hat die Krise der frühen 90er Jahre überwunden. Das ist
der Hauptgrund, warum die Arbeitsmarktsituation sich in der Amtszeit von OB
Schuster deutlich verbessert hat. Zugleich ist die Abhängigkeit der Region von
der Fahrzeugindustrie damit noch gewachsen. Die Stadt muss deshalb in ihrem
Einflussbereich alles tun, das die Entwicklung modernster Mobilitätstechnik in
der Region befördert.
Stuttgart muss das Auto mit der Stadt versöhnen und das Auto in sein Stadtleben
integrieren. Deshalb hat der B 14-Tunnel für mich eine viel größere Bedeutung
als der Pragtunnel. Deshalb will ich in Stuttgart stadtplanerisch moderne
Quartiersgaragen nach dem Prinzip des Hochregallagers einführen. Ein
platzsparendes Hightechprodukt, das die Parkplatzprobleme viele Ballungsräume
lösen könnte und in verdichteten Quartieren wieder Platz für Spiel und Begegnung
schafft. Wer, wenn nicht die baden-württembergische Industrie könnte ein solches
Produkt auf den Weltmarkt bringen?
Stuttgart muss weltweit führend bei der Entwicklung integrierter
Mobilitätssysteme sein. Die Dichte an Unternehmen der IT-, Maschinenbau- und
Fahrzeugindustrie ist auch hierfür ideal. Denn in Zukunft wird es in der Stadt
darauf ankommen, Autos, Bus, Bahn, Fahrrad und Fußwege möglichst unkompliziert
verknüpfen zu können. Stuttgart sollte als erste Stadt der Welt eine
Mobilitätskarte anbieten, die von Car-Sharing-Autos über Mietwagenanbieter über
Leihräder bis zu Taxis, Stadt- und S-Bahnen alle verfügbaren Formen der
Mobilität mit einem Generalschlüssel zugänglich macht: Elektronische Abbuchung,
Mengenrabatte und dynamische Fahrzeitalternativen-berechnung inklusive.
In Zukunft werden nur noch umweltfreundliche Autos verkauft oder gar keine.
Deshalb muss die Stadt Stuttgart im Rahmen ihrer Möglichkeiten der hiesigen
Fahrzeugindustrie Absatzchancen für modernste Umwelttechnik schaffen und Anreize
für Weiterentwicklungen geben. Das Problem der gesundheitsschädlichen
Konzentrationen von Schadstoffen in der Stuttgarter Kessellage kann in einen
Vorteil verwandelt werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass ab 2006 nur noch
Diesel-Fahrzeuge mit Rußpartikelfilter in den Talkessel einfahren dürfen. Das
würde viele Krebserkrankungen vermeiden und Tausende Arbeitsplätze bei Bosch und
Eberspächer schaffen.
Wenn Stuttgart so konkret zeigt, wie Mobilität im Ballungsraum in Zukunft
gestaltet werden kann, dann hat das World Mobility Forum eine neue Chance. Es
muss von einer reinen Show-Veranstaltung zu einem echten Innovationskongress
umgebaut werden. Etwas weniger Namedropping und dafür mehr Gehalt, etwas mehr
schwäbischer Realismus und etwas weniger aufgesetzte Weltbedeutung, dann hat
diese Einrichtung einen Sinn.
5. Das Ladensterben stoppen - Keine zweite City hinter dem Bahnhof, die
Innenstadt erneuern
Das Ladensterben in Stuttgart geht ungebremst weiter. Ramschläden ziehen in die
Königstraße ein, inhabergeführte Geschäfte müssen schließen. Völlig abkoppeln
kann die Stadt sich von diesem bundesweiten Trend nicht. Aber sie kann alles
unterlassen, was ihn noch beschleunigt. Denn von einer lebendigen Innenstadt
lebt nicht nur der Stuttgarter Einzelhandel. Sie ist für die Attraktivität
Stuttgarts als Wohn- und Arbeitsort und für den Erhalt der Arbeitsplätze in der
Stadt, für die Wahrnehmung Stuttgarts bei Investoren sehr wichtig - und damit
für die zukünftige Steuerkraft der Stadt.
OB Wolfgang Schuster droht durch Stuttgart 21 zum Totengräber der Innenstadt zu
werden. Die Pläne für ein Einkaufszentrum an der Wolframstraße sind die
Fortsetzung der Fehlentwicklung, die im Kinobereich mit dem Ufa-Palast am
Milchhof begonnen wurde: Die Innenstadt blutet aus, kleinere Häuser müssen
schließen, es bleibt eine gesichtslose und austauschbare Retortenkultur und
-architektur. Auch die Ansiedlung der Bibliothek 21 hinter der LBBW entzieht der
Innenstadt Leben.
Stattdessen will ich ein Programm zur Erneuerung der Innenstadt auflegen. Es ist
peinlich, dass erst Franz Beckenbauer kommen musste, damit die Königsstraße
endlich geflickt wird. In der Innenstadt gibt es noch viel zu viele
unzugängliche und öde Orte, einer davon kaum 100m vom Dienstsitz des
Oberbürgermeisters rund um die Rathausgarage. Ich werde die Innenstadt im Innern
erweitern, verödete Flächen zu Plätzen machen, eine flächenhaftes
Fußgängerzonennetz schaffen und dadurch mehr Kundschaft in die City locken. Ich
halte es auch für notwendig, mit dem Land über die Nutzung prominenter
Immobilien in der City neu ins Gespräch zu kommen. Dass der Innenhof des Neuen
Schlosses derart leer steht, ist eine städtebauliche Dauersünde.
Nicht nur in der Innenstadt, auch in den Stadtteilen und Quartieren benötigen
Einzelhandel und Gewerbe mehr Unterstützung. Weil die Stadt nicht zu einem
effektiven Parkraummanagement in der Lage ist, finden Kunden häufig keine
Parkplätze. Die sind längst vor Ladenöffnung von Einpendlern belegt, die früh am
Morgen aus dem Umland einfallen. Weil in der Stadtverwaltung nicht aufgepasst
wird, kann Aldi ein Filetstück am Westbahnhof bebauen und damit Kaufkraft aus
dem Westen abziehen. Das darf so nicht weiter gehen.
Die wohnortnahe Versorgung wird in einer älter werdenden Gesellschaft immer
wichtiger. In vielen Stadtteilen Stuttgarts gibt es kein oder nur ein sehr
eingeschränktes Angebot an Läden. Die Stadtverwaltung muss auch hier alles
vermeiden, was das Ladensterben noch beschleunigt und Gegenstrategien
entwickeln. Die Förderung von Lebensmittelläden in kirchlicher oder
gemeinnütziger Trägerschaft will ich ausbauen.
6. Mit innovativem Beispiel vorangehen: Open-Source-Software für die Stadt
Stuttgart
Open-Source-Software auf der Basis von Linux ist innovativ,
mittelstandsfreundlich und kann langfristig eine Kostenersparnis bringen. Mit
mutigem Beispiel gehen die Städte München und Schwäbisch Hall voran und zeigen
so auch Stuttgart, dass es einen Weg aus der Abhängigkeit von
Microsoft-Produkten und deren teuren Updates gibt.
Die Stadtverwaltung Stuttgart zeigt nach der Umstellung einiger Server auf
Linux-Software zur Zeit keine weiteren Anstrengungen, um bei weiteren Servern
sowie den Arbeitsplatz-PCs einen Umstieg schrittweise zu schaffen.
Ein verstärkter Einsatz von Open-Source-Software ist gut für die Verwaltung und
die Wirtschaft von Stuttgart: Die Mitarbeiter der Stadt, ohne deren
Bereitschaft, Neues zu lernen, dies nicht gelingen kann, erhalten eine
fehlerfreundliche und virenfeindliche Software für ihren Arbeitsalltag. Die
Software-Unternehmen Stuttgarts bekommen eine Chance, durch schnelle
Applikationen und Dienstleistungen die Open-Source-Anwendung in ihrer Stadt
möglich zu machen. Eindeutiger Verlierer ist nur Bill Gates.
7. Internationalität fördern und als Standortvorteil nutzen
Die Internationalität von Städten, Regionen und Ländern ist ein Erfolgsfaktor im
Wettbewerb um Unternehmen, Innovationen und Fachkräfte. Doch es geht nicht nur
um Wettbewerb, sondern auch eine lebenswerte Stadt. Ich will, dass sich hier
alle EinwohnerInnen wohl fühlen. Stuttgart hat mit 24 % nach Frankfurt den
zweithöchsten Ausländeranteil, hier leben Menschen aus 170 Nationen relativ
konfliktarm zusammen. Die ausländischen Beschäftigten tragen seit Jahrzehnten
zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei.
Ich will die Potenziale dieser gewachsenen Vielfalt nutzen und deshalb in das
Zusammenleben investieren. Dienstleistungen für den beruflichen Aufenthalt und
Integrationsangebote müssen auf die spezifische Situation der Zuwanderer
zugeschnitten werden. Ein Ingenieur, der projektbezogen zwei Jahre bei Bosch
tätig ist, hat andere Probleme als eine junge Russlanddeutsche, die sich um die
Anerkennung ihrer Berufsausbildung kümmern muss oder ein chinesischer Student,
der einen Wohnheimplatz sucht. Hier ist der passgenaue Service der Verwaltung
gefragt.
Um Wege in den Arbeitsmarkt aufzuzeigen muss die Stadt sich besonders um die
Probleme der Jugendlichen in Schule und Ausbildung mit Migrationshintergrund
kümmern. Die Arbeitsförderung der Stadt ist in diesem Bereich, auch wegen der
dezentralen Umsetzung der Arbeitsmarktreformen und ihres Konzepts "Bündnis für
Integration", gut gerüstet. Gelungene Modellprojekte für Jugendliche sollen
keine Eintagsfliegen sein, sondern fortgeführt werden, insbesondere der Aufbau
eines Netzes von ehrenamtlichen Mentoren, die die Jugendlichen begleiten und
beraten.
Auch mit den ausländischen Unternehmen in Stuttgart will ich in Dialog treten -
um zum Beispiel für mehr Ausbildungsplätze zu werben. Das neue Deutsch-Türkische
Handelszentrum und das Forum der Kulturen bieten hier wichtige
Anknüpfungspunkte.
Als internationale Wirtschaftsstadt braucht Stuttgart ein international
orientiertes Bildungsangebot. Ich werde mich für den Ausbau und die
Neuerrichtung internationaler Schulen einsetzen. Die Internationale Schule in
Degerloch allein kann der steigenden Nachfrage nicht mehr begegnen.
Die Stärken sichtbar machen -
für ein Standortmarketing jenseits von Let´s putz
Innovative Unternehmen siedeln sich nur an, wenn die Vorzüge des Standorts
bekannt sind. Nicht nur die "harten Faktoren", sondern auch das Image der Stadt
ist wichtig. Der OB hat die Rolle, dieses Bild überzeugend zu kommunizieren. Der
OB muss überzeugend für einen innovativen, zukunftsfähigen, kompetenten Auftritt
der Stadt im Wettbewerb der Standorte stehen können.
Einige Standortwechsel von Medienunternehmen in andere Städte geben zu denken.
Mit dem Image der Stadt steht es nicht zum Besten. Das Standortmarketing soll
mehr als bisher die Vielfalt und die Lebendigkeit, auch die touristische
Attraktivität der Stadt hervorheben.
Stuttgart braucht einen OB, der nicht nur verwaltet, sondern in Zeiten
schwerwiegender Strukturbrüche Orientierung vermittelt und klare Ziele
definiert. Stuttgart braucht keinen grauen Mann für graue Zeiten, der jede
Motivation erkalten lässt, sondern einen agilen Gestalter, der die Menschen
mitnimmt und mit Visionen und Ideen Begeisterung für die Zukunft wecken kann.
Stuttgart braucht für seinen wirtschaftlichen Erfolg einen neuen OB.
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